D&D hat ihn, Pathfinder auch: der Herausforderungsgrad. Er beschreibt in Form einer Charakterstufe wie stark ein Monster ist. Das ist als SL sehr praktisch, um die richtigen Monster für einen Kampf zu wählen, aber im Spiel selbst stellt einen das vor eine ganze eigene Herausforderung: Wie sag ich’s meinen Spielern? Wir können die Spieler – oder besser noch die Charaktere – ingame erkennen, wie stark ein Monster ist?
„Wohooow, heute wirds crunchy! Der alte Mann kann doch noch was, hähähä.“
Oh, du lebst auch noch? Fast ein bisschen schade. Aber zurück zum Thema. Bei wirklichen Monstern kann man sich noch einigermaßen behelfen, indem man entsprechend gebildete Charaktere einen Wissenswurf machen lässt und den Herausforderungsgrad des Monsters entweder direkt („Stufe 6!“) oder etwas verklausuliert („Ihr seid Stufe 4, der Ettin ist etwas besser als ihr.“) sagt. Jedes Monster hat ja seinen festen Herausforderungsgrad, daher sollte ein kundiger Charakter das relativ gut einschätzen können.
„Das ist ja billig. Stell dich mal ner richtigen Herausforderung: Wie macht man das bei einem Hobgoblin Soldaten gegenüber einem Seargent? Oder noch besser: ein Ettin gegenüber einem Ettin mit 3 Stufen Kämpfer? Na?!“
Jepp, da wird es deutlich komplexer. Kann man auch so lösen wie oben, fühlt sich aber sicherlich etwas komisch an. Wenn die Hobgoblin-Armee feste Ränge hat, mag das noch gehen. Aber wenn sich das von Clan zu Clan unterscheidet wird’s unrealistisch. Noch unrealistischer wird es, wenn wir über den Ettin mit Kämpferstufen sprechen. Daher habe ich mir für meine zukünftigen Runden überlegt hier das soziale Umfeld mit in Betracht zu ziehen.
„Och ne, jetzt wird’s doch wieder lari-fari…“
Ne, gar nicht. Der einfache Fall ist der folgende: Die Gruppe kommt in ein Dorf, wo alle in heller Aufregung sind. „In den Bergen im Osten wohnt ein Drache! Hilfe! Der hat Bauer Johannsens Scheune in Brand gesteckt und sein Kind entführt!“ Das kann den Charakteren sagen, dass der Drache es mit dem einen oder anderen Bauern leicht aufnimmt. Ganz anders wäre folgendes: „Hilfe, der Drachen aus den Bergen hat das halbe Dorf abgefackelt! Sieben Tote! Und er hat drei Jungfrauen geraubt!“ Dieser Drache nimmt es locker mit dem ganzen Dorf auf. Da der geübte Rollenspieler weiß, dass Dorfbewohner ziemlich am unteren Ende der Nahrungskette stehen, nur kurz über dem fußlahmen, einäugigen Goblin, wird hier den Herausforderungsgrad ungefähr einschätzen können. Unsere Gruppe der Stufe 4 sollte mit dem ersten Drachen klarkommen können, wenn sie klug vorgeht. Der zweite Drache dürfte ihnen aber schon sehr gefährlich werden. Besser die Finger davon lassen.
„Gar nicht mal schlecht für so eine Storynutte wie dich. Wie nennt das einer deiner Lieblingsblogger? Spielwelt-Regel-Gefurze?“
Spielwelt-Regel-Regelismus, ja genau. Das komm von RPGnosis. Könnte dazu passen. Zu guter Letzt noch der Fall des Ettin: Wie unterscheide ich ingame einen Ettin gegenüber einem Ettin mit drei Stufen Kämpfer? Zum einen könnte der Ettin in einer Gruppe Ettins leben und dort als der Stärkste/Beste herausstechen. Und je nachdem, was die Dörfler beschreiben, wie leichter seine Mit-Ettins zur Seite schubst, umso stärker ist er. Zugegeben, ein Ettin-Rudel ist nicht sehr wahrscheinlich. Aber die Dörfler könnten auch Geschichten aus anderen Dörfer oder früheren Zeiten von Ettins kennen und es damit vergleichen: „Der alte Jakob hat immer von einem Ettin erzählt, der die drei Müllers quer durchs Dorf geprügelt hat. Und das waren echte Kaventsmänner! Aber der hier, der ist richtig übel! Der haut nicht nur nen paar Stadtwachen ohne Probleme um! Der hat ne Truppe Kavallerie des Barons verprügelt!“
Bei weniger monströsen NSCs funktioniert das ähnlich. In jeder militärischen Truppe gibt es Ränge, die man zum einen an den Abzeichen auf der Schulter erkennt, aber auch am Sozialverhalten: Der einfache Soldat tritt dem Sergeant respektvoll gegenüber oder zumindest unterwürfig. Wenn der Sergeant keinen Respekt verdient hat doch die Befehltsgewalt. Oder er ist ne echt Nulpe, dann wird sich eher über ihn lustig gemacht. Genauso tritt der Straßenhändler dem Chef der Händlergilde gegenüber respektvoll auf. Und dem Chef der lokalen Schutzgelderpresser gegenüber tritt er auf jeden Fall unterwürfig. Außer, er ist selbst gewieft und hat vielleicht eine Schlägertruppe engagiert oder etwas anderes in der Hinterhand. Das spricht dann für seine Gefährlichkeit und damit seinen entsprechend höheren Herausforderungsgrad.
Kurze Anekdote aus dem realen Leben: Früher bin ich in der Mittagspause gerne in den Dönerladen um die Ecke. Der Chef dort war recht unterhaltsam und hatte meistens einen kessen Spruch auf Lager. Nichts böses, aber schon selbstbewusst. Eines Mittags, ich aß gerade meinen Dönerteller, sah ich ihn zwei Tische mit ein paar Männern bedienen. Da wirkte er gar nicht mehr selbstbewusst, sondern ziemlich unterwürfig, gebeugter Rücken und so. Ein Schelm, wer dabei an die Döner-Mafia denkt.
„Ey, ihr Rollenspieler könnt auch einfach mal die Realität als real annehmen. Herausforderungsgrad für Döner-Mafiaschläger oder was?! Verrückt!“
War nur ein Beispiel. Das lässt sich auf jede Gemeinschaft übertragen und sobald die Charaktere oder Spieler die Gefährlichkeit einer der Typen der NSCs einschätzen können, können sie relativ gesehen alle anderen NSC-Typen einschätzen. Es gibt die heruntergekommene Wegelagerer (ca Stufe 1) und deren Anführer (ca Stufe 3). Es gibt etwas erfolgreichere Banditen, die nicht heruntergekommen sind (ca Stufe 3), deren Boss ist dann auch etwas besser (ca. Stufe 5). Wenn der wiederum von einem Bösewicht engagiert wird, muss der auch etwas mächtiger sein (ca Stufe 8). Und wenn man weiß, dass ein Dorf vor einem Drachen zittert, aber die Wache des Barons da mit 20 gut ausgebildeten Kämpfern recht entspannt anrückt (ca Stufe 6), dann ist das was ganz anderes, als wann die ganze Stadt vor ihm zittert (Stufe 10+). Es braucht natürlich etwas Erfahrung im gegenseitigen Einschätzen zwischen SL und Spielern, aber spätestens sobald die NSCs die Kompetenz der Spieler einschätzen können, kann man relativ dazu sehr leicht den Herausforderungsgrad anderer NSC oder Monster darstellen.
„Klingt in Summe ja gar nicht so schlecht. Und was machst du jetzt damit? Warum braucht man das? Ist doch eh alles balanciert in euren modernen Weicheiersystemen.“
Na ja, davon halte ich eh nicht so viel. Genauso wenig von der Anpassung der Monsterstufe auf die Gruppenstufe, ohne dass es dabei ein neues Monster wird, wie D&D 4 es auch gemacht hat. Ein Ork-Schläger bleibt ein Ork-Schläger. Gefährlich auf Stufe 1, aber auf Stufe 10 wischt man damit den Boden auf. Wenn es einen Ork der Stufe 5 geben soll, ist es halt ein Ork Champion.
Ich werde das sicherlich in jeder Kampagne gut anwenden können, da ich eben nicht jede Begegnung auf die Gruppenstufe anpasse. Und meine nächste Kampagne wird ein Hexcrawl, da werden die Zufallsbegegnungen eine feste Stufe haben, die auch sehr weit von der Stufe der Charaktere abweichen kann. Da wird es dann überlebensnotwendig früh zu erkennen wie gefährlich die nächste Begegnung wird und im Zweifelsfall ganz schnell die Beine in die Hand zu nehmen.
„Junge, jetzt geht’s aber los. Der Herr Malspöler wird Old School!“
Titelbild „Monster Hunter Freedome Unite – Monster size comparison“ von PlayStation Europe unter cc-by-nc 2.0
„Seid vorsichtig, der Wald ist voller Drachen. Die Flecken kriegt man nicht mehr raus, wenn die einem auf den Mantel machen…“ ^_^
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=D Das ist dann Stufe 25, oder wie? 😉
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