Gedanken eines Taktikers

ein schwarzer Bauer liegt vor einer Reihe weißer Bauern

Im den letzten Jahren sind Rollenspiele immer einfacher geworden, zumindest die, die man in der Öffentlichkeit wahrnimmt. Mit Indy hatte ich es nie so. Daher fällt mir vielleicht gerade zur Zeit auf, dass Rollenspiel immer regelloser wird. Finde ich grundsätzlich gar nicht schlecht. Mit Familie, Haus und „weiß-der-Geier-was-noch“ bleibt immer weniger Zeit fürs Hobby. Trotzdem bleibt dabei ein Element von Rollenspielen auf der Strecke, das für mich sehr wichtige ist.

Die letzten neuen Spiele in unserer Runde waren alle regelleicht: Apocalypse World, was mir durch die individuellen Moves und deren storytreibende Funktion gefallen hat, oder auch Turbo Fate, dessen “Methoden“ einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Man kann ohne Bruch der Immersion beschreiben was man tut und daraus ergibt sich mehr oder weniger automatisch worauf man würfelt. Gut für die Atmosphäre und entspannter für den Spielleiter. Trotzdem stehen bei uns D&D 4-ähnliche Systeme weiterhin hoch in Kurs.

“Volltreffer! Mitten ins Herz der Fate-verliebten deutschen 4e-Hasser! Hahahaha, ihr blöden Erzählonkel!“

Oh, Mist, ich hab den Käfig aufgelassen.

“Ich bin wieder da!“

Schade. Aber ja, die Erzählspieler werden vermutlich komisch geguckt haben. 4e hat natürlich seine eigenen Probleme, aber füllt eine Lücke, die weniger erzähllastige Spiele offen lassen: Man kann taktische Entscheidungen fällen. Bei D&D beziehen die sich natürlich fast alle aufs Kämpfen. Darum geht es mir aber nicht. Das Erzählspiel fordert hauptsächlich Kreativität.

“Oder sinnloses Rumlabern.“

Da ist gut und recht, aber ich brauche als “Taktiker“ auch mal eine “intellektuelle“ Herausforderung – zumindest würde es erstmal so nennen. Etwas im weitesten Sinne rätselorientiertes. Kämpfe sind dafür gut, aber eine spannende Verhandlung oder eigentlich jegliches Ressourcenmanagement tun es auch. Diese Lücke schließt kein mir bekanntes System. Ich muss mich entweder entscheiden eine tolle Geschichte erzählen zu wollen oder “Rätsel“ zu lösen.

“Machste halt nebenbei die Quiz-App auf, dann wird der SL schon merken, wie sehr er dich langweilt.“

Das wäre ja auch nicht gerade nett und es wäre trotzdem langweilig. Ich will ja Rollenspiele spielen, kein Quiz. Es ist ja auch verständlich, dass es viele Leute gibt, die lieber entweder das eine oder das andere wollen.

“Echt? Gibt’s noch Kampffetischisten? Hat die Rollenspielpolizei die nicht schon aus dem Internet gejagt?“

Ich würde mich freuen, wenn das eine oder andere Spiel versuchen würde diese Lücke zu beackern. Es gibt bestimmt Methoden die zwei Welten besser zu verheiraten als das bisher geschehen ist.

 

Das Beitragsbild ist von Dennis Skley und steht unter Creative Commons Attribution-NoDerivs 2.0 Generic.

30 Responses

  1. Falk

    Die taktischsten Kämpfe hatte ich bislang bei Besonderen the Wall und Basic Fantasy, was beides OSR Spiele sind.
    Mit Regeldichte kann es zumindest nix zu tun haben.

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  2. Jan, hast Du denn schon BtW versucht? Ich meine, da wird ja OSR mit einigen Erzählonlelideen verheiratet – und ich fahr voll drauf ab. und taktisch find ich die OSR auch sansprechend, jedenfalls stell ich mir das so bei wenig Regeln vor.

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  3. runway61

    Mal ein spontaner, nicht ausgereifter Gedanke: DnD Kampfsystem kombiniert mit dem „Skillsystem“ von Fate Accelerated.

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  4. runway61

    Ja, das kenne ich. Als Spieler bin ich eher für reglschwere Sachen zu haben als als SL. Da ist mir das zu mühsam, für alle notwendigen Bereiche die Regeln zu lernen.

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  5. Falk

    Ja, man erschafft zusammen ein Dorf und die Life Pathes produzieren auch Beziehungen der SCs untereinander. Das würde man im RPG Neusprech wohl Erzählregeln nennen.
    Noch moderner finde ich aber Whitehack.

    Ob man die Kampftaktik nur durchs lesen feststellen kann, bezweifle ich aber. Es geht ja darum, dass jede Handlung wertvoll ist, weil der Kampf so tödlich ist.

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  6. Sal

    Kennst Du „Don’t Rest You Head“?

    Wenn Du etwas mit erzählerischen Regeln und taktischem Anspruch suchst, würde ich daran denken. Ich mag das Würfelsystem sehr gerne, weil es immer eine Abwägung ist zwischen Risiko, das man eingeht, und den Erfolgsaussichten.

    Ich habe darüber mal gebloggt und mein Eindruck von damals zum Regelsystem hat sich auch bestätigt: https://w6vsw12.com/2014/08/01/have-to-try-list-03-dryh/

    Beste Grüße
    Sal

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  7. Sal

    Ja, mehr gibt es leider nicht. Wenn Dir das zu wenig ist, dann ist es unter dem Gesichtspunkt wohl nicht das Richtige.

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  8. Wir haben Savage Worlds trotz seiner taktischen Möglichkeiten tatsächlich immer ziemlich erzählerisch gespielt. Da ist natürlich die Frage, ob die taktischen Möglichkeiten dir ausreichen würden.

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  9. Stimmt, ein echtes Erzählspiel ist Savage Worlds natürlich nicht, sondern verortet sich eher auf der klassischen Schiene.

    Ach, sag mal, was ganz anderes aus Interesse: Du schreibst von Turbo-Fate. Habt ihr Fate Core auch mal ausprobiert? Wenn ja, wie empfandest du da die Unterschiede zu Turbo?

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  10. … spät, aber trotzdem: Ich weiß nicht, was „Taktiker“ für dich bedeutet. Das kann sich nämlich auf zwei Seiten beziehen: Den Game-Aspekt („Magic-Combo-Play“), den ehrbare Powergamer noch mehr schätzen oder den Simulations-Aspekt (Plausibilitäten, Spielrealität wird flexibel über Regeln dargestellt), der mMn die eigentliche Heimat von Taktikern ist.

    Für die zweite Sorte von Spielenden gibt es passende Regelwerke. Seit langem. Insbesondere die Nachfahren und Bastarde von RuneQuest verknüpfen Erzählerisches mit Taktischem. Da Mythras (ehemals RuneQuest 6) gut erklärt ist und in einer tollen deutschen Übersetzung vorliegt, würde ich das empfehlen. Von Cthulhu würde ich stark abraten, weil da Autoren und Abenteuer oft eine Herangehensweise an die Regeln an den Tag legen, welche die Möglichkeiten des Spielsystems außer Acht lassen und teilweise sogar blockieren.

    Wenn’s dann doch mehr die D&D-Schiene sein soll: OSR-Spiele, die mehr in der Tradition von AD&D stehen können auch ganz nützlich sein. Insbesondere, wenn sie auch auf modernere Design-Ideen zurückgreifen können. An der Stelle würde ich Blood & Treasure 2nd empfehlen, das für mich das bessere D&D 5 ist.

    Torchbearer, der etwas abgespeckte Dungeon-Ableger von Burning Wheel könnte auch ne Überlegung wert sein.

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  11. Irgendwie habe ich es komplett verpeilt, hier nochmal zu antworten – sorry! Der größte und augenfälligste Unterschied zwischen Core und Turbo sind natürlich die Methoden bei Turbo gegenüber den klassischen Fertigkeiten bei Core; Aspekte und Stunts haben beide gleichermaßen. Allerdings können bei Core die Stunts ein wenig freier formuliert werden und sind ein bisschen flexibler. So erlaubt Turbo beispielsweise nur Stunts, die in bestimmten Situationen +2 geben oder die dem Charakter einmal pro Spielsitzung eine Spezialaktion erlauben. Diese beiden Stunttypen kennt Core auch, erlaubt aber zusätzlich noch das Verwenden eines anderen Skills als üblich für bestimmte Aktionen oder sonstige Regelausnahmen.
    Außerdem scheint mir Core doch etwas besser für das Langzeit-Kampagnenspiel geeignet zu sein.

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  12. Anonymous

    Arme Menschen seid Ihr.
    Wahrscheinlich zerstöre ich jetzt Eure Welt, aber wisst Ihr, dass es auf diesem Planeten so etwas wie „Frauen“ gibt? ^^
    Aber bleib ruhig bei der Möve, Jan. XD

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  13. Armer Spieltisch, der da bei Dir verkümmert. Würdest Du ihn nutzen, wüsstest Du, dass es genügend Frauen am Spieltisch gibt. Z.B. Timberwere … Möge Dir die Möwe auf den Tisch k…

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  14. Anonymous

    Bei mir verkümmert gar nichts. Außerdem bin ich erwachsen, also besitze ich sowas wie einen Spieltisch nicht.
    Eine Möwe hat mir neulich ein Backfisch-Brötchen aus der Hand geklaut, auch nicht besser.

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